LUFTNUMMER 1

Ein Bäcker backt täglich zehn Brote, obwohl seine Kunden täglich nur sieben kaufen. Da­rauf­hin backt er täglich elf Brote, aber seine Kunden kaufen täglich nur mehr sechs. Also prahlt der Bäcker vor seinen Kunden: »Als Bäcker bin ich die neue NUMMER 1, denn keiner backt täglich mehr unverkaufte Brote als ich!«

Erkennen Sie die Logik hinter dieser wundersamen Brotvermehrungs-Nummer?

Falls wer vermeint, auf diese bizarre Auflagenvermehrungs-Luftnummer von Öster­reichs viel gedruckter, aber wenig gelesener Verschenk-Tageszeitung ließe sich nicht eine noch bizarrere Nummer draufsetzen, so irrt der. Auf einer Doppelseite trompetet ÖSTERREICH aktuell drauflos –

– und präsentiert »Die wahren Auflagenzahlen / Die ausgewiesenen Leserzahlen« in Wien:

So stellten sich die entsprechenden Auflagenzahlen (laut ÖAK - Österreichische Auflagenkontrolle) sowie Leser­zah­len (laut MA - Media-Analyse) im Vorjahr dar, Abb. rechts:

Der sogenannte »große Verlierer«, die Konkurrenz-Ver­schenk­zeitung Heute, hat demnach heuer gegenüber dem Vorjahr um 7 Prozent weniger Leser, während die Auflage um 2,7 Prozent reduziert wurde.

»Die neue NUMMER 1« ÖSTERREICH hat hingegen um 9,5 Prozent weniger Leser als im Vor­­jahr, die Auflage aber – entgegen jeglicher Logik, wie man vermeinen möchte – dennoch um 5,3 Prozent erhöht.

Somit ist die Zahl der Leser pro aufgelegtem Exemplar von 0,75 (= lediglich ein dreiviertel Leser) auf 0,65 geschrumpft, und folglich landet heuer statt einem Viertel wie im Vorjahr nun ein sattes Drittel der gedruckten Gesamtauflage ungelesen in der Tonne oder fliegt als vom Wind »verbreitete Auflage« durch die Gegend.
Beim sog. »großen Verlierer« Heute ging die Zahl von 1,36 Lesern pro Heft indes nur geringfügig zurück und ist nunmehr doppelt so hoch wie jene der »neuen NUMMER 1«, ebenso wie auch die Gesamtleserzahl:

Was mit dieser bizarren »ÖSTERREICH gewinnt«-Mediadatenverdreherei überhaupt be­zweckt werden soll, ist sowieso völlig rätselhaft: So blöd ist die umworbene Anzeigenkund­­schaft freilich kaum, um diese durchsichtige Luftnummer nicht zu durchschauen und zwischen der Werberelevanz von kolpor­tier­ter Auf­lagenhöhe und faktischer Leser­zahl / Reich­­weite zu unterscheiden zu wissen. Und die wenigen Leser, die man damit vielleicht beeindrucken will, werden deswegen ja nicht mehr.

(Koch NUMMER 1: »Wenn die Gäste nicht aufessen wollen weil ihnen mein Essen nicht schmeckt, serviere ich ihnen eben größere Portionen.«)

Nach welcher Logik eine Gratiszeitung trotz Leser-Rück­gang – in krassem Widerspruch zur Au­flage-Entwicklung – »der große Gewinner« sein will, weiß wohl nur ÖSTERREICH allein.

3 Kommentare

    1. Darum wird den Lesern von ÖSTERREICH ja permanent & penetrant eingehämmert, dass es sich um »wahre ! Fakten/Zahlen« handelt, was sie zu lesen kriegen. Damit keiner womöglich auf die Idee kommt, dass ihm womöglich unwahre/gefälschte Fakten/Zahlen aufgetischt werden.

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