Heute vor etlichen Jahrzehnten, am 3. Dezember Anno Neunzehnhundertschnee, fand in Neulengbach im schönen Wienerwald die Führerscheinprüfung statt, und nachtsüber hatte es einen Viertelmeter hoch geschneit. Also kriegten wir Prüflinge eine Schneeschaufel ausgehändigt und mussten erstmal die Zufahrt zur Fahrschulgarage freizuschaufeln, derweil sich der von der Bezirkshauptmannschaft Sankt Pölten/Land angereiste Führerscheinprüfer im Gasthaus Schabschneider neben der Fahrschule bei einem Kännchen Glühwein gütlich tat.

Manche Fahrschüler wohnten weit auswärts in der Neulengbacher Umgegend und wurden von Herrn Fahrlehrer Blümel zur Fahrstunde von daheim abgeholt und hinterher wieder dort abgesetzt. Bei Schlechtwetter pflegte Herr Blümel das Seitenwagenverdeck zuzuklappen und blieb darin sitzen, nachdem er den Fahrschüler daheim absteigen ließ und zuvor noch angewiesen hatte, (am Fußhebel links am Motorrad) den zweiten Gang einzuschalten: Kupplung und Fußbremse konnte er ja mit seinen Fahrlehrerpedalen betätigen, und zum Lenker mit Gasdrehgriff brauchte er nur mit der linken Hand beim Seitenfenster rauszugreifen. So geschah es nicht selten, wenn er mit röhrendem Motor im zweiten Gang zur Fahrschule heimwärts fuhr, dass sich entgegenkommenden Straßenverkehrsteilnehmern der im Bilde unten dargestellte Anblick bot – und wenn dann einer bei der Neulengbacher Gendarmerie aufgeregt Meldung erstattete, er habe grad ein fahrerloses Seitenwagenmotorrad vorüberbrausen gesehen auf dem gar keiner draufsaß, dann wusste man dort Bescheid: Ah, der Blümel kommt grad von der Fahrstund’ heim.
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(Beitrag zu Kollege Dominiks *.txt-Projekt: »Fingerspitzengefühl«)