Nächster “Femizid“: Wieder kein Femizid

Ein sogenannter Femizid ist per definitionem eine »von Männern verübte misogyne [frauen­feind­liche] Hasstötung von Frauen« – wie auch hieramts bereits einmal abgehandelt wurde. Oder, wie etwa auf Wikipedia nachzulesen steht:

»Als Femizid bezeichnet man die Tötung von Frauen oder Mädchen als extreme Form geschlechtsbezogener Gewalt, die im Kontext patriarchaler Geschlechterdifferenzen verübt wird.«
Bedeutet also: Jeder Femizid ist eine Frauentötung, aber nicht jede Tötung einer Frau ist ein Femizid.
Fremdwörter und Fachbegriffe sollte man nicht gebrauchen wenn man nicht versteht was sie überhaupt bedeuten, besagt eine Binsenweisheit – aber die Kollegen von der berichterstattenden Zunft tun es trotzdem beharrlich:

Gemeinsam den Plan gefasst, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden – mithin ein sogenannter »erweiterter Suizid«: nichts könnte in dem betreffenden Fall von einem »Femizid«, d. h. von einer »frau­en­­feind­lichen Hasstötung im Kontext patriarchaler Geschlechterdifferenzen« weiter entfernt sein. Fremdwortgebrauch in völlig sinnfremdem Kontext.

Auch in der ATV-Nachrichtensendung auf puls 24 erfährt der Berichterstatter vor Ort von Po­lizei und Nachbarn:

»Offenbar wollte das Paar gemeinsam aus dem Leben scheiden. Es konnte auch ein gemeinsam verfasster Abschiedsbrief gefunden werden. Für Nachbarn kommt nur eine Verzweiflungstat in Frage: man nimmt an, dass es der Frau so schlecht gegangen ist, dass sie nimmer leben wollte.«

Und dann erstattet er darüber Bericht, indem er zuletzt resümiert:

»Die Tat reiht sich in eine erschütternde Serie von Frauenmorden [..] in Wien«

Was für haarsträubend unsinnige Ansage: in Wien massakrierte ein offenkundig psychisch beeinträchtigter afghanischer Asylant im Blutrausch drei asiatische Prostituierte in einem Sexklub – wie kommt jemand auf die Idee, die Verzweiflungstat in NÖ reihe sich in eine derartige Serie? Wie kann man denn sowas vergleichen? Das ist doch haarsträubend.

7 Kommentare

  1. diese Sogwirkung geht von vielen Modeworten aus. Ich verwende stattdessen den Überbegriff Hass-Verbrechen, weil er nicht wie eine (des-)infizierte Damenbinde klingt.

  2. Ich würde sogar sagen, dadurch, dass diese Unterschiede, auf die du ganz richtig hinweist, entweder nicht beachtet oder sogar absichtlich verwischt werden, wird die Debatte verharmlost.

    Auf einer anderen Ebene findet das durch die Verkürzung „gegen Rechts“ statt, wovon sich jede sehr konservative Person in die Nähe der Extremisten gerückt fühlt.

    Beiden wichtigen Anliegen, dem Kampf gegen Femizide wie dem gegen den Rechtsextremismus, tut man damit keinen Gefallen. Im Gegenteil. Seriöse Journalisten sollten das wissen und nicht auf Clickbait schielen.

    1. Ich versteh sowieso nicht, weshalb ein Frauenmord einem modischen Trend zufolge nun auf einmal “Femizid“ heißen soll. Aus einem Frauenmord wird ja deswegen nix anderes, indem man ihn mit einem abstrahierenden künstlichen Modewort bezeichnet.

      1. Der Unterschied ist die Motivation. Ob mehr oder weniger zufällig eine Frau das Opfer ist oder ob ein (irrationaler) Hass auf Frauen als vermeintliche Wurzel allen Übels der Grund ist. Und letzteres hat mit zunehmender Emanzipation leider deutlich zugenommen. Über alle Kulturkreise übrigens.

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