
Solche Forderung ertönt allenthalben, bevorzugt aus dem rechten Eck:
»Der Vorwurf der “Frühsexualisierung“ wird dazu verwendet, Bemühungen um Gleichstellung und Aufklärung zu verschiedenen Lebens- und Liebensweisen abzuwerten oder lächerlich zu machen. Die traditionelle Familie und die Ehe zwischen Mann und Frau würden damit abgewertet oder gefährdet. Kinder und Jugendliche würden durch die Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt “umerzogen“ und “frühsexualisiert“.« * |
Insonders aus der Lektüre diverser Kinderliteratur, worin Familie und Ehe zwischen Mann und Frau nicht traditionell dargestellt werden, ersprieße die Gefahr irregeleiteter Sexualisierung (oder gar der “Anspornung“) juveniler Leserschaften – so warnen rechtspopulistische und christlich-konservative Alarmrufer, von sexualpädagogischer Inbrunst entflammt.
Kollege Jules van der Ley schrieb kürzlich über kindliche Leseerfahrungen. Zum eindrücklichsten Lesestoff in meiner Kindheit zählte die “Wunderwelt“, eine weiland höchst populäre illustrierte Kinderzeitschrift. Hauptfigur einer ständigen Comic-Reihe war darin ein Zwerg Bumsti, der mit einer Maus verheiratet war welche eine Dienstmädchenschürze trug:
(1975 wurde übrigens eine Verfilmung von Zwerg Bumsti als Puppenspiel täglich im ORF-Kinderprogramm gesendet, 1982 nach einer Wiederholung aber abgesetzt, weil die Rollenbilder des Zwerges und seiner im Haushalt tätigen Ehefrau nimmer zeitgemäß erschienen: Zwerg Bumsti sei ein Pascha und die dargestellte Ehe mit der Maus sei frauenfeindlich.)
Zum Glück führte die Darstellung einer zweifelsohne äußerst untraditionellen Ehe zwischen Mann und Maus in meiner Kindheitslektüre nicht zur Umerziehung und Frühsexualisierung – zum Zoophilen etwa, oder gar zum Schürzenfetischisten*.
@ „verschiedene Lebens- und Liebensweisen abzuwerten oder lächerlich zu machen“:
„Er (Zwerg Bumsti) lebt mit seiner Frau, der Maus, in einem Pilzhaus im Zwergenland.“
(Wikipedia)
Na wenn das mal keine lächerliche Lebens- und Liebensweise ist, unerhört sowas!
Kaum auszudenken wie viele Kinder dadurch „angespornt“ und „umerzogen“ wurden, im späteren Leben ebenfalls mit einer Maus in einem Pilzhaus zu leben! 😉
Gibt ja genug Männer, die ihre Frau „Maus“ nennen – alles ehemalige Wunderwelt-Leser? ;-)
Dass du nicht zum „Schürzenfetischisten“ umgesattelt hast oder bist, hat dir vielleicht viel Ungemach erspart, uns aber viel Freude bereitet, denn als „Zeilen- und Wortefetischist“ bist du weitaus besser einsetzbar.
Freut mich von Ihren frühen Leseerfahrungen zu lesen. Zwerg Bumsti mit Mausfrau kannte ich bislang nicht. Doch dass die 1:1-Übertragung auf spätere Werthaltungen nicht so schlicht funktioniert, kann ich bestätigen. Ein Freund besaß nur Kriegsspielzeug. Wir schossen Plastiksoldaten mit Erbsenkanonen um. Später haben wir beide den Kriegsdienst verweigert.
Angeblich hätte die von dem Wiener Grafiker und Comic-Zeichner Teja Aicher 1949 kreierte Wunderwelt-Figur des Zwerg Bumsti samt dessen Pilzhaus auch dem belgischen Zeichner Peyo als Vorbild für seine später weltberühmten Comicfiguren der “Schlümpfe“ gedient. Tatsächlich verhält sichs indessen wohl umgekehrt: denn Peyos 1958 geschaffene Schlümpfe sahen dem Original-Bumsti damals nicht besonders ähnlich, umgekehrt aber veränderte Aicher das Aussehen seiner Figur um 1966 so, dass sie nun den Schlümpfen auffällig ähnlich geriet:
Bumsti 1951 – Schlumpf 1958 – Bumsti 1966
(Erinnert etwa an die Geschichte mit dem angeblichen Vorbild für den Helm des Asterix.)
Der Name „Bumsti“ erweckt bei mir jetzt grad etwas merkwürdige Assoziationen …, vor allem im Zusammenhang mit dem Wort „Frühsexualisiserung“. Vielleicht wurde der Cartoon deswegen abgeschafft 😀
In Österreich assoziiert man den Namen hingegen mit Ibiza-Bumsti HC Strache ;)
Das habe ich mir auch gedacht.
„Was macht der Zwerg mit der Maus? — Er B…“
Ach, die Wunderwelt samt Bumsti ist mir auch ein Begriff. Wie verzopft und patriarchal sein Partnermodell auch gewesen sein möge, hat er es doch sicher auch nicht verdient mit Strache assoziiert zu werden :)