Heute vor 164 Jahren wurde Peter Altenberg (1859-1919) geboren, legendäres Paradeexemplar des typischen Wiener Kaffeehausliteraten und Schnorrers.
Altenberg verbrachte den größten Teil seines Lebens im Kaffeehaus, und wenn er einmal nicht im Kaffeehaus war, so hieß es, dann sei er grad auf dem Weg dorthin. Auf seiner Visitenkarte gab er als Adresse das Café Central an, auch seine Post ließ er sich dort hinschicken.
Schon sein Lehrer nannte den späteren Meister der literarischen Skizze & fragmentarischen Kurzprosa ein »Genie ohne Fähigkeiten« – wie überliefert, sei er bei der Matura deswegen durchgefallen, weil er als Aufsatz über das Thema »Der Einfluss der Neuen Welt (Amerika) auf die Alte« nur ein einziges Wort hingeschrieben hatte: »Kartoffeln.«
Altenberg trat zeitlebens als vorgeblich mittelloser Schnorrer auf, der sich von Kollegen und Gönnern finanziell aushalten ließ. (Um seine Mittellosigkeit zu illustrieren, lief er grundsätzlich in Holzsandalen ohne Socken herum, selbst wenn er als Theaterkritiker Vorstellungen besuchte.) Einmal schrieb er an seinen Bruder ein Telegramm: »Bitte schicke mir 100 Kronen, habe mein ganzes Geld zur Sparkassa getragen und starre nun dem Hungertod entgegen.« Oder, als er seinen Freund Karl Kraus einmal um 10 Kronen anschnorrte, dieser aber bedauerte nicht soviel dabeizuhaben, da bot ihm Altenberg an: »Ich leih’ dirs inzwischen, damit du mirs schnorren kannst.«
Als nach Altenbergs Tod sein Testament bekannt wurde, stellte sich zum nicht geringen Erstaunen heraus, dass der angeblich zeitlebens Mittellose auf diese Weise ein durchaus stattliches Vermögen von über 100.000 Kronen auf der Sparkassa angehäuft hatte. Dieses hinterließ er zur Gänze wohltätigen Einrichtungen.
Der Altenberg! Ein großer Schnorrer,
das trifft freilich zu, des wor er.
Doch sagte man auch über ihn:
er sei der „Sokrates von Wien“.
(So wurd’ er seinerzeit genannt.
Warum, ist heut’ nicht mehr bekannt.)
Dass Altenberg (eigentl. Richard Engländer) sich als Schnorrer stilisierte, bestätigt auch diese Anekdote:
Am Literaturstammtisch sprach man über Herrenmode. „Ich weiß nicht“, sagte Peter Altenberg, „mein Schneider sagt immer, für mich sei schwer zu arbeiten.“ „Schwer? Warum?“ „Ich zahl nicht.“ (aus Peter Köhler (Hrsg): Donnerwetter! Da hab’ ich mich umsonst besoffen – Dichteranekdoten, Stuttgart 2004)
Peter Altenbergs Outfit lässt vermuten, dass sein Schneider in Streik getreten ist.
Altenberg behauptete sogar, sich seinen Künstlernamen eben deswegen zugelegt zu haben, da er nicht mit den »verkommenen, idiotischen Engländern« in Verbindung gebracht werden wollte: weil diese angeblich so großen Wert auf nobles & modisches Auftreten legten, was er als Bohemien und praktizierender Nonkonformist verachtete. Einmal schenkte ihm sein Freund Adolf Loos einen Anzug, doch Altenberg dankte ihm mitnichten, sondern warf ihm stattdessen in bitterbösen Worten vor, ihn durch das Geschenk »auf tyrannische Weise zu einem Mode-Gigerl [= Gockel, Geck] umerziehen« zu wollen.
Danke für diese wunderbare Skizze eines großen Meisters.
ein FAN: oh jaaa !
Diese Personalie versöhnt einen mit den sattsam kolportierten Schattenseiten der großen Stadt. – Jedenfalls muß ich mir für den Hausgebrauch das Bonmot merken, dass er sein ganzes Geld zur Sparkass getragen hätt und so dem Hungertod entgegensehe (und das ganz unmodern ohne Finanzkrise und fromme Steuerspenden an die großen, so ehrlichen Institute).