Kulinarisches – De gustibus non est disputandum

Das ist »zum Krenreiben«, sagt man in Österreich wenn etwas unnütz, unnötig, zu nichts zu ge­brauchen ist.

In einer von den Usern der Food-Plattform “Taste Atlas“ erstellten Liste der hundert schlech­testen Gerichte der Welt rangiert auf Platz 14 das Beuschel, ein klassisches Gericht der Wie­ner Küche: nämlich ein Rahmragout aus Kalbslunge und Herz, serviert mit Semmelknödel. Was denn nun daran so schlecht sein soll, lässt sich nicht für jedermann nachvollziehen, Ge­schmäcker sind bekannt­lich verschieden. Als Kind musste ich einmal zwei Wochen lang im Krankenhaus liegen, und als ich wieder rausdurfte hatte meine Oma mir zuliebe Beuschel ge­kocht: es war die köst­lichste Mahlzeit mei­nes Lebens! Danach aber mochte ich Beuschel nie wieder und habs seit­her nim­mer gegessen.
Grundsätzlich sind derlei Ranking-Listen sowieso zum Krenreiben. Und Exempel für heraus­ra­gen­de regionaltypische Gaumengrauslichkeiten gibts überdies wesentlich trefflichere:
Eine traditionelle Spezialität ostösterreichischer Hausmannsküche ist Krenfleisch, d. i. gekochtes (sic!) Bauchfleisch mit Schwarte vom Schwein unter einem Haufen geraspeltem Kren (für Außerö­si­sche: Meerrettich) – wahrhaft eine kulinarische Obszönität, Schweinsfleisch in Wasser zu kochen! Abscheulich. Manche mögen es dennoch, andere hinwiederum beutelt es darob vor Grausen.
Apropos Kren: Die Asiatische Küche, wie man weiß, ist mitunter von außerordentlich schar­fer Gewürzung ge­prägt – im Ge­gensatz zur Schärfe von Pfeffer oder Chili, welche auf Zunge und Gaumen wahrgenom­men wird, wird die des Krens jedoch von diversen Senfölen her­vorgerufen und erst später in Ra­chen und Nase spür­bar, und reizt daraufhin zum Tränen­fluss*). Diese Art der Wurzel­schärfe ist, mit Aus­nahme des japanischen Wasabi, in Asien aber weitgehend unbekannt und vermag deswegen arglose Asi­a­ten beim erstmaligen Krenverzehr gars­tig zu übermannen: so be­richtete mir meine Tochter heute von ihrem taiwanesischen Kolle­gen, den beim Besuch des gestrigen Wiener Opernballs anlässlich des Verzehrs eines Paars Frank­fur­ter mit Senf & Kren un­versehens dermaßen heftiger Rotz- und Tränen­fluss befiel, sodass man beinah ernsthaft in Erwägung zog, die Sanität zu bemühen.
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*) Die in Österreich und Bayern sowie im Schlesischen für Meerrettich seit dem 13. Jahrhun­dert verwendete Bezeichnung Kren ist ein Lehnwort aus dem slawischen Sprachraum, wo “krenas“ angeblich “weinen“ bedeute, wie allenthalben kolportiert wird, was freilich Unsinn ist. Tat­sächlich bedeutet slawisch křen, chren, хрен (verkürzt von kořen) schlicht: Wurzel.

23 Kommentare

  1. Könnte man in der Kulinarikliste eventuell auch den „Breslreiba“ (Bröselreiber) unterbringen, sehen Sie eine theoretische Möglichkeit der Eingabe/Nachreichung ?
    In sämtlichen Pseudo-Wörterbüchern, welche angeblich wienerisch können, konnt’ ich zur Bedeutung bzw dem Geschmack nix finden … 😉

    1. “Bröselreiber“ scheint wohl gleichbedeutend mit “Nudeldrucker“ ▶️ und ebenfalls nach einem weiland gebräuchlichen Küchenutensil so bezeichnet.

      1. Er sollte natürlich ein Scherzeintrag sein, bitte um Verzeihung wegen der unernst gemeinten Fragestellung – es könnte natürlich eine (bezirks)lokale Abwandlung der Bedeutung sein; aber ich kenne den Ausdruck als jenen für ‚x-beinige‘ Mitmenschen im Wienerischen (Herkunft eher Favoriten, Simmering denn Alsergrund, Döbling): denn solche reiben permanent (Haut)Brösel beim Gehen. Eigentlich schade, wenn verschiedene Ausdrücke verlorengehen, doch das bringt der Zug der Zeit eben mit sich – auch um die uncharmanten tut es mir leid.

      2. Ja, etwa auch der “Reis′strahra“ (Reisstreuer) = jemand dem “der Reis geht“, Feigling, Hosenscheißer: auch “Seicherl“ genannt, weil eh grad über Küchen­uten­silien die Rede ist. Den Ausdruck verstehen heutzutags auch nimmer alle:

        Kommt der kleine Maxi von der Schule heim und beklagt sich: »Der Religionslehrer hat mir eine geschmiert, weil ich gesagt hab der Herrgott ist ein Seicherl.« – schmiert ihm die Mutter gleich noch eine und schimpft: »Der Herrgott ist doch kein Seicherl, der ist unser Schöpfer!« – sagt der Maxi trotzig: »Ich habs ja gewusst, dass er bei uns da­heim in der Kuchl hängt!«

      1. Dieser Link ist für mich leider nicht abrufbar – Abo möcht‘ ich keins und Tracking auch nicht … aber der Titel hört sich als für den Taste Atlas brauchbar an … 😉

      1. Ja 😉 … „Zampa, der Tagdieb oder Die Braut von Gyps“, Dandoli sagt: „Das thu’ ich nicht, ich iß nichts als ein Beischl.“

  2. Erst unlängst entfuhr meinem Dachgeschoss die Erkenntnis, dass eine Krenreibe, die nicht gut funktioniert, zum Krenreiben ist.
    Also nur mal so als Anmerkung.

  3. Geschieht ihm ganz recht, dem Asiaten. Das ist die Rache für zahlreiche lächelnd vorgebrachte „a little bit spicy“ Bemerkungen, die wir in Asien hören durften, nachdem wir unseren Gaumen mit unglaublich scharfem Chilli ausgebrannt hatten, das sich dort in vielen Gerichten versteckt.

    1. Aber ja nun mal nicht in Korea, woher der kam, denn in der koreanischen Küche gehts unscharf zu. Einem Koreaner, der Kren vorgesetzt bekommt, ergehts wie einem Ostfriesen der beim Japaner einen Batzen Wasabi verzehrt weil der so nach gehäckseltem Grünkohl aussieht.

      1. Unscharfe Küche in Korea ? Vielleicht jene in den Touristen-Restaurants in Seoul ?
        Oder beim Koreaner in Deutschland ;-) … die koreanische Küche weiß um den Umstand, daß scharfe Speisen den Magen schützen (weil das scharfe Zeugs Bakterien meuchelt. Behaupten sie jedenfalls vor Ort).

      2. Tatsächlich ist Kimchi, durch Milchsäuregärung fermentierter sog. Koreanischer Rettich, eine koreanische Nationalspeise. Dieser ist aber mit Kren/Meerrettich nicht verwandt und nur von geringer Schärfe, welche durch die Fermentation überhaupt verloren geht.

  4. Wie schön, dass es Dich und Deinen Blog noch immer mit dem gleichen Verve und Witz gibt, nachdem es so viele gute weggespült hat, auch meine „Nachrichten aus Absurdistan“ sind ja vor Jahren schon sanft entschlafen. Und seltsam, dass mir das erst eindreiviertel Jahre nach der Rückkehr unter neuem Namen auffällt. Aber wie schön vor allem! Hab nen tollen Tag!

    1. Danke für den freundlichen Kommentar. Ja, leider ist von der weiland höchst rührigen “twoday“-Bloggerblase nimmer viel übriggeblieben. Freut mich daher, das unverwech­selbare Tentakelaugen-Monster aus Absurdistan in Deiner Header-Grafik wieder­zu­er­bli­cken :)

      1. Aber wie schön, dass zumindest ein paar Bande sich wiederfinden aufs Neue. In meinem jetzt zweitneuesten Beitrag stell ich ja auch noch ein Kinderbuch vor, das André Zeugner – einst „undundund“ – in seinem winzigen aber wundervollen Kinderbuchverlag rausgebracht hat. Schön, sich wiederzufinden. Alles Liebe südwärts.

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