10. Februar – Alliteratives: Lyrik vs. Logik

»Wenn ich gegen eins was habe, sind’s Fehler, nur dem Reim zulabe!«
(Winfried Kraft) (vermutlich Pseudonym v. Robert Gernhardt)

Heute vor 125 Jahren wurde Bertolt Brecht (1898-1956) geboren, und zwar in Augsburg. (Die rote Socke, tat­sächlich war der ein waschechter Schwabe, was sagt man dazu. Brecht selber mochte seine Ge­burts­stadt allerdings nicht, er sagte: »Das beste an Augsburg ist der Zug nach Mün­chen.« Er blieb nicht lang in Augsburg, wie man weiß.)
In dem Lied »Der Tod im Wald« lässt Brecht den grimmigen Poeten Baal alliterieren:

    »Und ein Mann | starb im Wald, | wo Sturm und Strom ihn umbrausten ..«
    (Anm.: »Selber schuld, | wär’ er halt | bei so ’n Sauwetter nicht draußten ..«
    ließe sich dazu extemporieren ; )

Gegen Stabreime gibts im Prinzip nichts einzuwenden, es sei denn, Lyrik dräut Logik dreist zu verdrängen. Dichterkollege KrassNick lässt nun einen fiktiven Leser beim Autor der be­­tref­fen­den Zeile, Herrn Brecht also, um nähere Erläuterung nachsuchen, und kleidet dessen An­frage hinwiederum in gefälligen Versreim – er schreibt:

    Hier ätzt der Leser: »Sie, Herr Brecht,
    als Stabreim klingt der ja nicht schlecht,
    Ihr Vers vom Sturm und Strom im Wald.
    Nur fragt an dieser Stelle halt
    der Leser sich: Wo, bittesehr,
    kommt denn im Wald der Strom daher?«
    Herr Brecht, der denkt nicht lange nach
    und antwortet dem Leser: »Ach,
    der Strom? Der kommt auf alle Fälle
    aus Batterien von Duracelle!«
    ───────────────────────────────────────────
    © mit freundl. Genehmigung M. Krassnig

Auch in seinem Gedicht »Die Vögel warten im Winter vor dem Fenster« lässt Brecht die Lo­gik ver­missen, indem er “vorn“ auf “Korn“ reimt und, was er in einer Lyrikkritik überdies sel­ber mo­nier­te, »damit seinen Wirklichkeitsbezug ne­giert«:

    »Ich bin die Amsel.
    Kinder, ich bin am Ende.
    Und ich war es, die den ganzen Sommer lang
    Früh im Dämmergrau in Nachbars Garten sang.
    Bitte um eine kleine Spende.
    Amsel, komm nach vorn.
    Amsel, hier ist dein Korn.«

Darüber ließe sich wiederum extemporieren:

    Was soll ich, fragt die Amsel nun,
    denn mit dem “Korn“? Ich bin kein Huhn!
    ────────────────────────────────────────────
    (Es fragt der Leser hier zu Recht:
    Meinten Sie wirklich “Korn“, Herr Brecht?
    Weil Amseln, wie man weiß, indessen
    nicht Körner, sondern Würmer fressen.)

14 Kommentare

  1. Das -e fügt hintendran Herr Brecht
    des Reimes wegen wohl zu recht:
    erlauben tut’s an dieser Stelle
    die dichterische Freiheit, gelle! ;)

    1. Das Product Placement von Herrn Brecht
      reimt sich mit Duracelle schlecht,
      drum denkt Herr Brecht noch einmal nach
      und antwortet dem Leser: »Ach,
      es kommt der Strom, lässt sich vermuten,
      aus Varta-Batterien, den guten!«

  2. Der Amsel des Herrn Bertolt Brecht,
    der war Kritik an ihm nicht recht.
    Denn wenn sie nicht grad Würmer frisst,
    und dazu frischen Apfel isst:
    Die Körner rund ums Vogelhaus
    lässt sie, wie jeder weiss, nicht aus.

    1. Es ginge ohne Korn
      der Reim auf vorn verlor’n,
      denn „Amsel, komm nach vurn,
      Amsel, hier ist dein Wurm.“
      reimt sich ja eher schlecht als recht.
      Das wusste freilich auch Herr Brecht.

    2. Wär’s keine Amsel sondern Specht,
      erfreut’ auch den ein Korn nur schlecht:
      weil auch ein Specht, wenn’s einer ist,
      statt Körnern lieber Würmer frisst.
      (Auch frisst er keine Gluten,
      so lässt sich wohl vermuten;)

      1. Noch weniger als den Tukan
        erfreut ein Korn den Pelikan.

      2. Es steht auch für den Kormoran
        ein Korn nicht auf dem Speiseplan.
        (Drum heißt er auch nicht „Kornmoran“.)

  3. Dem werten Herrn Brecht haben sich damals ein paar Fehlerchen ins Gedicht geschlichen, auf die den großen Dichter hinzuweisen sich wohl niemand getraut hat, damals im Arbeiter- und Bauernparadies. Egal, zur Sache:

    Erstens war es keine Amsel, sondern eine Singdrossel. Zweitens ging es nicht um das Korn, das man isst, sondern um den Korn, den man trinkt. (Darum auch „Sing“-Drossel! Und wenn man diese Art Durst hat, wartet man schonmal geduldig einen Winter vor dem Fenster, oder? Keiner soll hungern, ohne zu frieren, und Durst ist am Schlimmsten.)

    Und zuguterdritt würde ich dem Vogel, der mir den ganzen Sommer lang jeden einzelnen Morgen das Ausschlafen verdorben hat, sicher weder Speis noch Trank spendieren, sondern eher einen kräftig geworfenen Stiefel (am Bindfaden, damit ich ihn ohne langes Rumgerenne wieder einholen und am nächsten Morgen wieder werfen kann). Ganz egal übrigens, ob Amsel oder Drossel oder meinetwegen Rohrspatz…

  4. Weil Amseln, wie man weiß, indessen
    nicht Körner, sondern Würmer fressen.)

    Was Amseln fressen, könnte hier irrelevant sein. Viel wichtiger: Was trinken sie? Und da käme der Korn völlig zurecht wieder ins Spiel.

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