Heute vor etlichen Jahrzehnten, am 3. Dezember Anno Neunzehnhundertschnee, fand in Neulengbach im schönen Wienerwald die Führerscheinprüfung statt, und nachtsüber hatte es einen Viertelmeter hoch geschneit. Also kriegten wir Prüflinge eine Schneeschaufel ausgehändigt und mussten zuerstmal die Zufahrt zur Fahrschulgarage freischaufeln, derweil sich der von der Bezirkshauptmannschaft Sankt Pölten/Land angereiste Führerscheinprüfer im Gasthaus Schabschneider neben der Fahrschule bei einem Kännchen Glühwein gütlich tat.

Manche Fahrschüler wohnten weit auswärts in der Neulengbacher Umgegend und wurden von Herrn Fahrlehrer Blümel zur Fahrstunde von daheim abgeholt und hinterher wieder dort abgesetzt. Bei Schlechtwetter pflegte Herr Blümel das Seitenwagenverdeck zuzuklappen und blieb darin sitzen, nachdem er den Fahrschüler daheim absteigen ließ und zuvor noch angewiesen hatte, (am Fußhebel links am Motorrad) den zweiten Gang einzuschalten: Kupplung und Fußbremse konnte er ja mit seinen Fahrlehrerpedalen betätigen, und zum Lenker mit Gasdrehgriff brauchte er nur mit der linken Hand beim Seitenfenster rauszugreifen. So geschah es nicht selten, wenn er mit röhrendem Motor im zweiten Gang zur Fahrschule heimwärts fuhr, dass sich entgegenkommenden Straßenverkehrsteilnehmern der im Bilde unten dargestellte Anblick bot – und wenn dann einer bei der Neulengbacher Gendarmerie aufgeregt Meldung erstattete, er habe grad ein fahrerloses Seitenwagenmotorrad vorüberbrausen gesehen auf dem gar keiner draufsaß, dann wusste man dort Bescheid: Ah, der Blümel kommt grad von der Fahrstund’ heim.
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(Beitrag zu Kollege Dominiks *.txt-Projekt: »Fingerspitzengefühl«)
Das müssen aber schon einige Jahrzehnte sein seit Neunzehnhundertschnee. Der Vater meines Enkels (oder war es der Zio meines Enkels (es sind doch schon einige Jahrzehnte) hat bei ähnlichen winterlichen Bedingungen seine Fahrprüfung gemacht (und bestanden), aber ein Seitenwagen war da schon lange nicht mehr im Spiel. Hingegen kam mein sehr ehemaliger Biologielehrer in unglaublichsten Kontexten immer wieder voll Begeisterung aufs Seitenwagenfahren zu sprechen – die einzig wahre Art Motorrad zu fahren – und wir spornten ihn an um der Photosynthese zu entkommen.
Aber Ihre Geschichte ist lustiger!
Ich habe anno 1971 die Fahrprüfung für das Motorrad gemacht, zusammen mit dem Autoführerschein. Das sah dann so aus, dass ich vor der Prüfung mit einem schon damals antiquarischen Heinkel-Motorroller mit Seitenwagen geübt habe, es wird wohl eine halbe Stunde gewesen sein.
Vorher war ich nur Mofa gefahren, also war der Abstand zum Gehweg mit dem Seitenwagen ungewohnt, und ich habe mehrfach den Bordstein touchiert bzw. war mit dem Rad des Seitenwagens auf dem Gehweg. Der hinterherfahrende Prüfer fragte mich deshalb, ob ich den Fußgängerschein machen wolle…
Ich habe den Führerschein aber trotzdem bekommen.
Das Touchieren des Bordsteins mit dem Rad des Seitenwagens kann bei rasanter Fahrt unliebsame Auswirkungen auf dieses zur Folge haben ; )
@ waltraut
Die A-Führerscheinausbildung auf Beiwagenmaschinen war in Österreich noch in den späten 70er-Jahren üblich, Fahrpraxis auf Solomaschinen war dazumals noch nicht obligatorisch.
(Mein Schwiegervater, der den Motorrad-Führerschein anfangs der 50er-Jahre während der alliierten Besatzungszeit machte als die Versorgung mit Kraftstoff für zivile Zwecke häufig ein Problem war, erzählte mir dass damals jeder Fahrschüler zur Fahrstunde 3 Liter Benzin selber mitbringen musste.)
Nur zu gerne hätte ich dem Schauspiel beigewohnt.
Nachtsüber – nie gehört, aber ich bin absolut entzückt von diesem Wort! 😍
Herr Löffelmann selbst war’s, der im Seitwagen saß.
Zuerst, zu Beginn: „Moch‘ bitte kan Schaas‘ !“
er tönte.
„Die Gurke gast links, nach rechts wenn du bremst –
Is‘ hoit ka Moppal, die Stroß’n is eng…“
Doch bald er klönte:
„Du kaunst jo e foan – host‘ schwoaz scho geübt ?“
Ich hüll‘ mich in Schweigen und mach‘ auf betrübt
weil illegal fahren zuvor niemals ich tat.
Dabei ist’s das Gen, das feste mich hat
und mich -auf Geheiß- die Höhenstraß‘ rauf
die 68er donnern läßt ohne Verschnauf
sodaß dem Löffel ein Lichtlein aufgeht:
das Bübchen vom Fahren ein wenig versteht
weil selber er ist ein Rallyemann
auf Lancia Fulvia HP und dann
das Dreirad zu solchen auf Zweien es wird
nur in den Rechten natürlich, der Zug inkliniert
das Schifflein zu heben, welch‘ Spaß;
dem Löffel werden die Hosen naß
vor Freude. Er meint, er hätt‘ sich blamiert
als er eingangs warnt’…
„Du bist Meister, hast dich als Schüler getarnt ?“
Den Achter beim Prüfer ich schulmäßig vollzieh.
Beim Lernen ich lernte: ein Dickschwein privat ?
Nicht doch. Doch sag niemals nicht nie:
und jedes Mal war’s ein Eklat…