18. November – Kategorisches

Heute vor 113 Jahren wurde der Wiener Theater- und Fernsehschauspieler Guido Wieland (1906-1993) geboren.

Meine Oma selig weigerte sich zeitlebens, solch neumodernes Zeugs wie einen Fernseher beim Namen zu nennen. Radio hören hieß für sie “Radio hören“, und fernsehen hieß “Radio schauen“.

Kollege Trithemius berichtet hier über seine Frau Großmutter und deren Radio, und dass die Menschen im Werbefernsehen stets attraktiver erscheinen als in der Wirklichkeit.

Meiner Oma aber bereitete das Fernsehen eine überaus enttäuschende Erfahrung. Sie war eine glühende Verehrerin von Guido Wieland gewesen, dessen schöne klangvolle Stimme sie lediglich aus ihrem Radio kannte und die ihr so gut gefiel, dass sie sich den dazugehörigen Sprecher als den denkbar attraktivsten Mann vorstellte: wer so wunderschön sprach, der musste in ihrer Vorstellung auch ein wunderschöner Mann sein.
Als sie ihn aber dann zum erstenmal im Fernsehen sah (in einer Werbesendung für Tief­kühl­spi­nat, noch dazu), da war Guido Wieland ein relativ kleiner älterer Herr mit Brille und wenig Haaren, und meine Oma von seinem Aussehen maßlos enttäuscht – und somit das Idealbild, welches sie sich in ihrer Phantasie bis dahin von ihm ausgemalt hatte, ein für allemal ruiniert. Die Schuld für ihre bittere Enttäuschung schrieb sie dem Fernsehen zu, und fällte ihr kate­go­risches Urteil:

    »Es Radioschaun hod ka Guat’s ned.«
    (»Das Fernsehen hat nichts Gutes.«)

14 Kommentare

  1. Irgendwie anders aber doch ähnlich erging es mir, als ich zum ersten Mal Maren Gilzers Stimme im Fernsehen hörte (sie war die Glücksradfee und hatte dort keinen Text zu sprechen) und diese Stimme so gar nicht zu dieser doch attraktiven Frau passen wollte.

  2. Tatsächlich ist ja auch die reale Begegnung mit Personen des Bildschirms oft enttäuschend. So sah ich einmal Kurt Beck (SPD) bei einer Wahlveranstaltung in der Aachener Fußgängerzone und war erstaunt, ein kleines, dickliches Männlein zu sehen. Er wirkt im TV wesentlich größer. Ich glaube, Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone sind ebenso kleine Männer, die auf der Leinwand nicht so wirken.

  3. Stallone ist 1.72 m groß. Ich bin 1.76m. Ziemlich groß für eine Frau, zugegeben – aber als ich das „Männchen“ in London bei Madame Tussauds in Originalgröße sah, musste ich wirklich laut lachen. Im TV hatte er immer viel größer gewirkt. Schwarzenegger ist übrigens auch grade nur 10cm größer als ich…

  4. Die Kamera liebt Menschen, welche nicht allzu groß sind, wie unter anderem am Beispiel Tom Cruise unschwer zu erkennen ist.

    „Radioschaun“ ist genial und erinnert mich an meine Großmutter väterlicherseits, welche in meiner Kindheit anlässlich der Fernsehübertragung eines Rosenmontagsumzuges (ARD ! Wir hatten 5 (in Worten: FÜNF) Fernsehsender zur Auswahl, und das zu Beginn der 70er-Jahre !) mit den vielen in die Kameras winkenden Menschen sich leicht verzagt erkundigte, ob denn diese Menschen auch UNS sehen könnten …

  5. In Wahrheit kommts nicht auf die Größe an – aber auf die Stimme kommts an:

    (»Höret, was Erfahrung spricht: Hier ist’s so wie anderswo.
    Nichts Genaues weiß man nicht, dieses aber ebenso.«
    Otto Grünmandl)

  6. Ach ja – der gute Onkel Guido und seine IGLO-Spinatwerbung:
    „So bringen auch Sie ein bißchen Grün in Ihre Donnerstage!“ *g*

    lg, Thera

  7. @ walküre
    Das ist süß und veranlasst mich, über meine Bekleidungsgewohnheiten beim „Radioschaun“ nachzudenken.

    Meine Großmutter liebte das Kabelfernsehen und war bestimmt unter den ersten Wienern, die sich eines leisteten. Nur diesen einen Sender, den wollte sie von uns „rausgelöscht“ haben, diesen „Skich-Anell“, „Wos reden denn de? I varschdee nix! De redn jo gor net deitsch!“

  8. Gut, dass Omi das Internet nicht gekannt hat. „Hab’ ich nicht ’ne tolle Haut? Die hab’ ich selber retuschiert.“

  9. Vor ein paar Jahren haben sie im Büro meines Stahlgroßhändlers eine neue Kundenbetreuerin eingestellt, Stefanie B., eine Deutsche. Na ja, und wie ich zum ersten Mal mit ihr telefoniere … jessas, also echt! Also nicht, dass ich danach tagelang mit angezogenen Beinen gepennt und mit den Zähnen geklappert hätte, aber … na ja, beinahe.
    Zum Jahresende dann bekomm ich von der Firma das übliche Weihnachtspräsent, einen Kalender natürlich, und auf der Rückseite ist ein Foto von der gesamten Belegschaft drauf und, tja, was soll ich sagen, diese Stefanie … Grundgütiger!
    Na egal. Ich habe mich schon längst damit abgefunden, dass mein Leben keine Soap-Opera ist.

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