Kollege Heinrich schreibt hier über vom Aussterben bedrohte Wörter, namentlich für ein dem Aussterben anheimgefallenes Bekleidungsstück.
Ein solches ist u.a. auch die im Österreichischen so genannte Kombinesch [mit Betonung auf dem e, »Kombinähsch«].
Als Kinder wohnten wir in einem Mehrparteienhaus. Im Garten stand eine Klopfstange, es gab nur einen gemeinschaftlichen Teppichpracker im Haus, den sich die Mietparteien jeweils untereinander ausliehen. Besagter Teppichpracker fand im Bedarfsfall auch Verwendung zur Maßregelung unartiger Kinder, je nach Schwere des Vergehens wurde damit dem minderjährigen Delinquenten in mütterlicher Strenge eine zuvor festgelegte Anzahl von Schlägen auf den Hintern verabreicht. Dies tat nicht allzusehr weh und war nicht weiter schlimm, sondern entsprach halt den traditionellen Gepflogenheiten landläufiger Kindererziehung.
Schlimm für uns Kinder war hingegen die damit einhergehende Demütigung, wenn sich der Teppichpracker grad in Verwahrung durch andere Hausparteien befand und wir geschickt wurden, ihn auszuleihen: freilich wussten die stets, welcher Verwendungszweck diesem also zugedacht war, wenn wir mit dem Ansuchen um Herausgabe desselben auf der Matte standen obwohl draußen augenscheinlich kein Teppich über der Klopfstange hing. »Was hast’n leicht ang’stellt?« prackte die unausweichliche Frage erbarmungslos auf den kleinen Sünder hernieder, und darauf Antwort geben zu müssen empfanden wir als über die Maßen schmachvoll. Der noch zu erwartenden körperlichen Züchtigung kam in solchen Momenten nur mehr geringe Bedeutung zu.
Jetzt aber zum Thema: einmal hatte ich irgendwas angestellt und wurde zum Teppichprackerholen zu Tante Jetta geschickt, einer Frauensperson in mittleren Lebensjahren, welche unter uns wohnte und zwar keine Tante war, aber von uns so genannt wurde. Tante Jetta pflegte zur warmen Jahreszeit in Haus und Garten ganz ungeniert lediglich in Kombinesch bekleidet zugange zu sein, kein ungewohnter Anblick. Als ich damals aber bei ihr anläutete, da hörte ich von drinnen »Momenterl, ich muss mir erst was anziehen,« und als sie die Tür öffnete, da hatte sie einen Büstenhalter angezogen, nämlich über der Kombinesch, die hatte sie darunter an. Nun habe ich von jenem bizarren Anblick dazumals durchaus keine Kindheitsneurose oder gar Trauma abgekriegt, aber unvergessen ist er mir geblieben: Tante Jetta, wie sie ihren Büstenhalter sozusagen als Oberbekleidung über der Kombinesch trug – wohingegen ich mich an ihr Gesicht kaum mehr erinnere.
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(Beitrag zum alphabetischen Schreibprojekt von Kollege Wortmischer.)
„Bizarr“ ist gar kein Ausdruck für den Anblick! Vor allem, wenn man beim Google nach Bildern von der Kombinesch sucht und sich dann den darüber angelegten BH vorstellt. Madonna ist direkt ein $c#3!$$ gegen Ihre Tante Jetta!
Auf immer werde ich jetzt die Kombinesch mit Ihrer Tante Jetta und dem übergeschnallten BH verbinden. Ich kannte bislang nur Unterröcke, habe jedoch nie einen in echt gesehen. Sie waren zu meiner Zeit mit Frauen schon aus der Mode. Irrwitz, was Wortmischers Projekt alles zu Tage fördert.
Ja, die schon seinerzeit altmodische sog. Kombinesch/Kombinége ist freilich nicht mit der zeitgenössischen, modischen sog. Kombinage in der von Kollege Wortmischer verlinkten Bildersuche zu vergleichen. Der noch aus dem Alt-Wienerischen stammende Begriff bezeichnete vielmehr ein formloses, aber praktisches Polyester-Unterkleid, wie es Frauen dazumals eben als Standard-Unterbekleidung trugen.
Oh, ich erinnere mich auch an die blassrosa Kombinesch meiner Oma. Hat sich auch sehr künstlich angefühlt, ähnlich wie ein Turnanzug.
Vermutlich stammt die Kombinesch aus der französischen Mode und war ursprünglich aus Seide. Ein überaus angenehm zu tragendes Kleidungsstück, ein Unterkleid. Da der französischen Mode entnommen, auch noch recht schick, sogar mit Spitzen an Saum und Ausschnitt. Was im vorigen Jahrhundert in Österreich unters Volk gekommen ist, war die Kombinesch aus Kunststoffmaterial, das ziemlich schnell zu Schweißgeruch führt(e), aber weitaus billiger zu haben war als echte Seide.
Der traditionelle Unterkittel war aus (handgewebtem) Leinen oder Baumwolle und oft selbst genäht. Soweit ich weiß, wurde der Unterkittel niemals Kombinesch genannt. Das sind zwei unterschiedliche Kleidungsstücke.
Meine Tante Jetta hieß Tante Martha, aber sonst war alles erstaunlich ähnlich. Oder wir erinnern nur diese Originale, die sich so aus der Masse der Unscheinbaren hervorheben?!
In die Unterkleider von Tanten hatte ich ja keinen Einblick, aber ein Wort (und Kleidungsstück), das meine Großmutter noch in Verwendung hatte, war „Hüfthalter“. Farblich zwischen Orthopädiebraun und Rosa, lang nach dem großen Kriege noch von Hand ausgebessert mit Nadel & Faden, da wohl nicht mehr erhältlich.
@ speedhiking
Ja, das erinnert an die schauderhafte Unterwäsche-Farbklassifizierung »fleischfarben«.
Himmel! – „Hüfthalter“!
Da ist noch so viel Potenziel für das Kleider-machen-Leute-Projekt. Ob fleischfarben, rosa, oder orthopädiebraun …
Kombinesch? Nie gehört, obwohl ich zwischen Unterröcken, Hüfthaltern, langen Kleidern, Röcken und ähnlichen Teilen aufgewachsen bin.
Man kannte diesen Begriff nicht in Vorpommern, wohin wir nach der Bombardierung von Stettin umgesiedelt wurden. Wir, das waren meine Oma, ihre Schwiegertocher und ich als deren Sohn bis zum schulpflichtigen Alter. Meine Oma war die Witwe eines Schneidermeisters und komplett mit der Materie vertraut. Fast täglich kamen junge Frauen, um was zu ändern, neu anzufertigen oder aufhübschen zu lassen. Da saß ich in der einzigen Stube spielend auf dem Fußboden zwischen halbnackten Frauen, raschelnden Kleidern und Röcken und einer ratternden Nähmaschine. Mich nahm da keiner für voll und niemand ahnte, wie interessant ich die ganze Sache fand wenn Kleidung abgelegt und ein Maßband angesetzt wurde, den Geruch und überhaupt die ganze Atmosphäre spürte.
1949, das Jahr in dem ich zur Schule kam, kehrte auch mein Vater aus russischer Gefangenschaft zurück, die Wohnsituation verbesserte sich und mit der Schneiderei und meinen Frauenbekanntschaften war auch erst mal Schlus für viele Jahre.
Artig dem Link des Wortmischers gefolgt und siehe da: Gleich diverse Kombinagen kann ich mein eigen nennen. Muss frau ja wissen.
Wenn Sie mögen, können Sie mich jetzt „Tante“ nennen, lieber Kollege.
Ich finde, Sie hatten Glück mit Ihrer Nachbarin. Eine unserer Nachbarinnen im Mehrfamilienhaus habe ich – sommers wie winters – nie anders als in der Kittelschürze gesehen, auch beim Wäscheaufhängen im Hof. Darunter trug sie nur die Unterwäsche; zumindest war außer der Kittelschürze nichts zu sehen. Nicht, daß unsere Nachbarin attraktiv gewesen wäre. Aber in einer Kombinesch hätte sie wenigstens so getan, als ob. Statt dessen schien die Kittelschürze immer zu rufen: Seht her, eine Hausfrau! Sehr her, wie schrecklich! Seitdem bin ich gegen Kittelschürzen allergisch.
nur so nebenbei:
nie werde ich den folgenden satz meiner mutter vergessen: „ach, wenn ich mir die kombinesch anzieh, dann geht das schon!“
womit sie mir meine eigentlich nicht so gemeinte frage nach dem gesundheitszustand meines damals fast 80jährigen und vor kurzem an der prostata operierten papa beantwortete.
@ wortmischer
Ach zieren sie sich nicht so wegen dem Hüfthalter, in schwarz oder in Rot wirken diese Dinger (mit zarter Spitze besetzt) heutzutage überraus attraktiv auf die Männerwelt. Angeblich.
@ la-mamma
Ein sonniges Gemüt, diese Mutter!
!!